Die Bürgermeisterkette von Sankt Augustin

von Professor Dr. Hannes Schmidt

Der Vorgang hatte etwas beinahe Legendäres in unserer legendenfernen Zeit. Und es begab sich – so möchte man deshalb anfangen – daß in den späten siebziger Jahren, sieben mehr oder weniger weit verstreute rheinische Gemeinden, einzeln kaum geschichtlich bedeutsam, gemeinsam den historischen Entschluß faßten, sich zu einer neuen Stadt zusammenzuschließen. So wurde auf der rechten Rheinseite, nur wenige Kilometer östlich der Bundeshauptstadt Bonn „Sankt Augustin“ geboren: als Name längst weltweit bekannt, weil von hier aus seit vielen Jahrzehnten die Brüder der Steyler Mission hinauszogen in alle Erdteile. Bürgermeisterkette von St. Augustin

Aus dem Beschluß der Stadtgründung erwuchs die Notwendigkeit, für den gewählten Bürgermeister eine Amtskette schmieden zu lassen, damit auch äußerlich an seiner Person bei feierlichen Anlässen das neue Gemeinwesen eindrucksvoll sichtbar werde. Und es begab sich – möchte man fortfahren – daß die Stadtväter sich einer Einwohnerin ihrer Stadt erinnerten, fähig, geschult und begabt, ein solches repräsentatives Amts-Signum zu entwerfen und zu schaffen. So dachten sie mit guten Gründen an Franziska Kelz-Blank, die weitbekannte Gold­schmiede­meisterin und Metallbildhauerin.

Beim Studium der Tradition, an alten Bürgermeisterketten ablesbar, fand sie fast überall den gleichen Formtyp, eine mehr oder weniger beliebige Kette mit dem untenangehängten Stadtwappen. Selbständig entwickelte sie ein eigenes Modell, in dem das Wappen, zentral integriert in die Gesamtkonzeption, nicht nur den Mittelpunkt bildet, sondern sogar die Gestalt der einzelnen Kettenglieder bestimmt.

Im oberen Teil zeigt es den rot-goldenen Bergischen Löwen im silbernen Feld, unten als Wappenmotiv der Herren von Menden ein silbern blaues, fast quadratisch geschachteltes Feld. Die Struktur dieses Schachtelfelds setzen nun die Kettenglieder nach oben fort, abgewandelt als Rhomben und senkrechte Rechtecke. Auf diese Weise ergibt sich eine formale Einheit aus dem vorgegebenen historischen Symbol des Schachtelfelds und seiner zeitgenössischen Fortentwicklung und Ausformung.

Anprobe mit Bürgermeister Karl Gatzweiler     Anprobe mit Bürgermeister Karl Gatzweiler

Die aneinandergefügten Glieder entsprechen der vertikal zu den Schultern des Trägers aufsteigenden Kettenform, genau angepaßt der menschlichen Gestalt. Ihre Paßform und Beweglichkeit erhält die Kette durch einundfünfzig Scharniere, die verdeckt eingebaut worden sind. Das Schloß auf der Rückseite besteht aus einer besonders widerstandsfähigen Speziallegierung von Weißgold. Aus massivem Silber und etwa sechshundert Einzelteilen handgefertigt, unter Verwendung von fünf verschiedenen Silberlegierungen, wiegt die Kette nur etwa siebenhundertundvierzig Gramm.

Aus sieben Ortsteilen setzt sich die neue Stadt zusammen, aus Birlinghoven, Buisdorf, Hangelar, Meindorf, Menden, Mülldorf, Niederpleis. Auf sie verweisen sieben in regelmäßigen Abständen eingefügte flache Zwischenteile in den blau-rotgoldenen Wappenfarben, als symbolische Gliederung der Kette. Wie die blauen Felder auf Wappen und Kette, sind sie aus rekonstruiertem Lapislazuli, dessen glatte Struktur reizvoll kontrastiert zu den körnigen Silberfeldern der benachbarten Flächen.

So entstand ein nach Form, Funktion und Bedeutung gleichermaßen höchst bemerkenswertes Beispiel angewandter Goldschmiedekunst unserer Tage.


Aktuell:
 
 
Klaus Schumacher,
Bürgermeister der Stadt St. Augustin
Klaus Schumacher, Bürgermeister der Stadt St. Augustin


Und so hat sie's gemacht...

Entwurf, technische Konstruktion und handwerkliche Ausführung der Bürgermeisterkette:
Franziska Kelz-Blank

Franziska in ihrer Werkstatt
Das Material, aus dem die Bürgermeisterkette handwerklich hergestellt wurde:

Fünf unterschiedliche Silberlegierungen, zwei verschiedene Rotgoldlegierungen – in dieser Form kam es aus der Gold- und Silberscheideanstalt.

Der Bergische Löwe
Geschachtelte Felder
Das Silbermaterial für die Kettenglieder:
abwechselnd glatt und strukturiert. Die Struktur entstand durch gezielte Überhitzung.
Ausgesägte Kettenglieder und Scharnierstifte
Die Einzelteile der Kette vor dem Zusammenbau
Kette fast fertig
„Kunst ist schön,
  macht aber viel
  Arbeit“

              Karl Valentin